Zur Person: Mohammad Motraje gehört seit 2018 zum Team des STUDIERENDENWERKS. Mit seiner erfolgreichen Ausbildung als Kaufmann für Büromanagement schlug der aus Syrien Geflüchtete im Ruhrgebiet Wurzeln. Dabei lernte der studierte Buchhalter nicht nur das STUDIERENDENWERK von A-Z kennen, sondern baute Tag für Tag seine Sprachkenntnisse weiter aus. So entwickelte sich aus einem Ausbildungsplatz ein Neustart in Deutschland. Seit seinem Abschluss verstärkt er den Zentraleinkauf.
Das STUDIERENDENWERK bildet Kaufleute für Büromanagement aus. Mohammad Motraje hat diese Ausbildung 2021 abgeschlossen. Er stammt gebürtig aus Syrien und kam aufgrund des Bürgerkrieges nach Deutschland.
Im Interview gewährt er Einblicke in seine Startbedingungen und berichtet von seinem großen Projekt Neuanfang beim STUDIERENDENWERK.
Wie sind Sie auf die Ausbildung beim STUDIERENDENWERK aufmerksam geworden?
Für die Antwort muss ich etwas ausholen. In Syrien habe ich bereits ein Studium zum Kaufmann für Büromanagement mit dem Schwerpunkt Buchhaltung erfolgreich absolviert. Im Anschluss arbeitete ich drei Jahre für eine Firma im Bereich Steuerberatung und konnte mich dort für erste Führungsaufgaben qualifizieren.
Dann brach 2011 der Bürgerkrieg in Syrien aus. Ich musste lernen, dass das Leben nicht immer geradlinig verläuft. Alle wehrpflichtigen Männer des Landes wurden zum Militärdienst einberufen. In Konsequenz: Entweder töte ich oder ich werde getötet. Mir blieben nicht viele Optionen, also bin ich geflohen und musste meine Familie zurücklassen.
In Deutschland habe ich ein Jahr und sechs Monate auf die Bewilligung meines Asylantrags warten müssen. Die Tage zogen sich wie Kaugummi. Denn in diesem Zeitraum darf man weder arbeiten noch Sprachkurse besuchen. Man ist verdammt, nichts zu tun und das im Nirgendwo, abgeschottet von der Gesellschaft. Gleichsam ist da dieses Gefühl von Angst, dass jeder Tag der letzte in Deutschland sein könnte.
Nach dem positiven Asylbescheid beantragte ich eine Anerkennung meiner Zeugnisse bei der Industrie- und Handelskammer (IHK), um wieder beruflich Fuß zu fassen. Währenddessen versuchte ich mich mit einem Job im Lager über Wasser zu halten, verbesserte meine Deutschkenntnisse in Sprachkursen und recherchierte nach Optionen.
Gefühle von Perspektivlosigkeit machten sich breit. Ich wusste nicht, wann oder ob meine Zeugnisse überhaupt anerkannt würden. Daher traf ich die Entscheidung, dass ich noch mal ganz von vorne beginne und mir einen Ausbildungsplatz suche. So bin ich beim STUDIERENDENWERK gelandet.
Welche Voraussetzungen müssen Auszubildende erfüllen, um sich zu bewerben?
Da es sich um eine Ausbildung handelt und das STUDIERENDENWERK sich auch als Ausbildungsbetrieb versteht, sind in erster Linie Motivation und Lernbereitschaft gefragt. Es ist natürlich von Vorteil, wenn man erste Erfahrungen in Bereichen oder Ideen über Tätigkeitsfelder vorweisen kann, aber das ist definitiv kein Muss. Formal benötigt man einen Schulabschluss.
Neben dem Bewerbungsschreiben durchläuft man, wenn alles gut läuft, noch zwei weitere Prozesse: einen Einstellungstest und ein Vorstellungsgespräch. Insbesondere bei Letzterem war ich aufgrund meiner Sprachkenntnisse sehr nervös. Aber im Gespräch waren alle sehr verständnisvoll und unterstützend.
Macht Ihnen die Arbeit beim STUDIERENDENWERK Spaß? In welcher Abteilung gefiel es Ihnen am besten?
Ja, der Arbeitsalltag beim STUDIERENDENWERK macht mir Spaß. Ich bin jeden Tag gerne im Unternehmen – nicht zuletzt aufgrund der Kolleginnen und Kollegen. Die Vielfältigkeit, ob im persönlichen Kontakt oder je nach Arbeitsbereich, ist besonders. Es wird nie langweilig, man lernt eine Menge dazu.
In der Ausbildung wählen wir zum Ende des dritten Lehrjahres zwei Themenschwerpunkte, mit denen wir uns in der Praxis nochmals intensiv beschäftigen können.
Ich habe mich erstens für das Rechnungswesen entschieden, da ich mein Wissen im Controlling vertiefen wollte. Auch haben mir die bisherigen Monate in dieser Abteilung gezeigt, dass ich hier mit meine größten Zukunftschancen sehe. Die Arbeit mit Zahlen interessiert mich nicht nur, sondern ermöglicht es mir, möglichst selbständig zu agieren.
Meine zweite Wahl fiel auf das Personalwesen. Hier reizt mich insbesondere die Themenbandbreite: Von Gesetzestexten über strategische Aufgaben wie Personalmanagement und -gewinnung, Gleichstellung und das operative Tagesgeschäft (Krankmeldungen, Vorstellungsgespräche, Urlaubsplanung etc.). Man ist Dreh- und Angelpunkt im Unternehmen.
Zuletzt habe ich zwischen dem Personalwesen und dem Einkauf geschwankt. Im Anschluss an die Ausbildung geht es für mich nun im Einkauf weiter. Die Aufgaben und Tätigkeiten gefallen mir sehr gut – insofern bin ich wirklich froh darüber.
Was bedeutet es für Sie, dass Sie eine Ausbildung machen konnten?
Da ich Militärflüchtling bin, kann ich unter dem Assad-Regime nicht mehr in mein Heimatland zurückkehren. Daher ist für mich eine gute Ausbildung wie beim STUDIERENDENWERK das Fundament, um mir eine neue Existenz aufzubauen.
Meine Zeugnisse und beruflichen Qualifikationen wurden zwischenzeitlich von der IHK anerkannt, aber mein deutscher Abschluss im STUDIERENDENWERK war und ist mir wichtig.
Durch das tägliche Arbeiten auf Deutsch haben sich meine Sprachkenntnisse enorm verbessert. Das hätte ich niemals ohne den direkten und professionellen Arbeitskontakt geschafft. Mittlerweile bin ich firm im Fachvokabular, kann z. B. am Infopoint Fragen zum BAföG beantworten und selbst das Telefonieren klappt gut. Dies war am Anfang meine größte Hürde. Natürlich ist [bei meinen Deutschkenntnissen] noch Luft nach oben.
Gibt es jemanden im STUDIERENDENWERK, der/die Ihnen bei Fragen und Problemen zur Seite stand?
Generell hat man mich sehr herzlich aufgenommen und ich habe mich schnell als Teil des STUDIERENDENWERKS gefühlt. Nahezu alle waren sehr bemüht, dass ich die Ausbildung erfolgreich abschließe. Das ist nicht selbstverständlich und half mir, den einen oder anderen Moment des Selbstzweifels zu überwinden.
Meine ersten Monate habe ich zum Beispiel in der Personalabteilung und im Rechnungswesen absolviert. Zu diesem Zeitpunkt waren meine Deutschkenntnisse sehr rudimentär. Wir haben mit Händen und Füßen gestikuliert, Apps zum Übersetzen genutzt und es wurde sich die Zeit genommen, mir Sachen zu erklären, bis ich sie verstanden hatte. Fachlich kenne ich vieles aus Studium und Praxis – beispielsweise Brutto- und Nettoberechnungen. Jedoch lernt mal solche Begrifflichkeiten in keinem Deutschkurs. [lacht]
Was ich als sehr hilfreich empfinde, ist, dass wir als Azubis zur Unterstützung in der Schule Nachhilfe erhalten. Diese wird vom STUDIERENDENWERK gestellt und darf während der Arbeitszeit im Unternehmen erfolgen. Außerdem gibt es eine Ausbildungsleitung und eine Jugendvertretung, die sich für die Interessen von Auszubildenden einsetzen.